Biografische Alben

 

Die Gestaltung der Ausstellung erinnert an einen alten Lesesaal, wodurch die Konzentration der Besucherinnen und Besucher auf die biografischen Alben gelenkt wird: auf das Lesen und das Betrachten von Bildern und Dokumenten. Die sehr persönlichen Fotos,  die von den Zeitzeugen zur Verfügung gestellt wurden, erzählen wie in einem Familienalbum vom Leben vor 1933 mit Hochzeits- und Kinderfotos, vom Großvater vor seiner Apotheke, aber auch in Uniform im Ersten Weltkriegs. Und wir erfahren, dass eben dieser Großvater seine Kinder zur Auswanderung ermuntert hat und 1943 mit seiner Frau in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurde. Wir sehen die nunmehr erwachsenen Kinder in ihrem Exilland, das ihnen zur Heimat geworden ist, auf einem Foto mit den Enkeln und der Bildunterschrift: Hitler hat nicht gesiegt. Gerade bei den jüngeren Besuchern wird das Interesse geweckt, alles über diese Familie zu erfahren. Sie  fühlen sich herausgefordert, auch die schwierigsten Dokumente zu entziffern. Hier wird beim Lesen und Betrachten ein Eindruck des Authentischen hervorgerufen.

 

 

Das Projekt WIR WAREN NACHBARN versteht sich als ein „Work in progress“. Jedes Jahr kommen neue biografische Alben hinzu, z. B. wenn entdeckt wird, dass eine prominente Person in Schöneberg oder Tempelhof gelebt hat. So entstand 2014 ein Album über die Schriftstellerin Mascha Kaleko. Selten kommt es in den letzten Jahren vor, dass wir noch mit Zeitzeugen in Kontakt kommen, da diese heute hochbetagt sind. So war es ein Glücksumstand, von dem Jazz-Gitarristen Coco Schumann zu erfahren, dass ihm bei der Durchsicht alter Dokumente erst in seinem 89. Lebensjahr bewusst wurde, dass es Schöneberg war, wo er einige Jahre in der Kurfürstenstraße gelebt hatte. Auch die damals bekannte “Rosita Bar“, in der er häufig spielte, lag direkt am Bayerischen Platz. Er hatte diesen Ort nach dem Krieg nicht mehr wiedergefunden. Jetzt ist er stolz darauf, dass seine Biografie seit 2014 neben über 150 anderen im Rathaus Schöneberg nachzulesen ist. Zunehmend sind es die Nachfahren, d.h. die zweite und dritte Generation, die ihrer Familie ein Album widmen möchten. Oft entsteht der Kontakt im Zusammenhang mit einer Stolpersteinlegung oder bei einem Besuch als Touristen in Berlin. Diese Erweiterung der Ausstellung soll auch in Zukunft weiter erfolgen.